Gedenkveranstaltung - Erinnerung an jüdisches Leben
Ein Gang durch die Geschichte – Jüdisches Leben in Leverkusen
Die mehr als zwanzigjährige Tradition des Gedenkabends in Erinnerung an den 9. November 1938 findet in diesem Jahr leider wegen der aktuellen pandemiebedingten Einschränkungen eine Unterbrechung. Da die Einladung einer Zeitzeugin wegen der Corona-Pandemie nicht möglich war, hätte ein Gedenken auf dem Jüdischen Friedhof in Opladen stattfinden sollen. Doch auch dies ist wegen der verschärften Hygienebestimmungen nicht möglich. Daher weichen die beteiligten Institutionen und Personen in die digitale Welt aus. Ursprünglich war geplant in vier Stationen einen „Gang in die Geschichte“ durchzuführen. Die vier Stationen, mit denen Schüler*innen des Landrat-Lucas-Gymnasiums Ihnen einen Einblick in das vergangene und heutige Leben der Juden in Leverkusen geben, finden Sie nun hier bzw. auf der Webseite des LLG-Leverkusen.
(Die Veranstaltung wird – wenn die Bedingungen der Pandemie dies dann zulassen – am 8. Mai 2021 nachgeholt.)
Station 1: Der Jüdische Friedhof – ein Ort erzählt vom Leben
Der jüdische Friedhof an der Robert-Blum Straße wurde ab 1833 von der jüdischen Familie Samuel Seckel als private Bestattungsstätte genutzt. Damals lag das etwa „1 Morgen haltende[e], mit einer Dornhecke eingefriedete“ Grundstück weit außerhalb Opladens. Erst später wurde der Ort zur Bestattungsstätte der gesamten jüdischen Gemeinde in Opladen. Der älteste noch erhaltene Grabstein erinnert an Veronika Salomon aus Zülpich, der jüngste an den Chemiker Dr. Leo Rosenthal, der sich 1939 das Leben nahm.
Die Reichspogromnacht in Opladen verlief in zwei Phasen. Am frühen Morgen des 9.11.1938 drangen Menschen durch ein eingeschlagenes Fenster in die Synagoge in der Alstadtstraße ein und begannen mit der Demolierung der Einrichtung. Wie Maria Rennecke später berichtete, wurde alles in dem Innenraum der Synagoge beschädigt. Im Verlauf des Morgens gelang es dem Synagogenvorsteher Salomon heimlich heilige Schriften aus der Synagoge zu retten – als hätte er geahnt, wie die Katastrophe ihren Lauf nehmen würde. Am Mittag, als die ersten Schüler aus der Schule kamen, forderten die SA-Beamten diese sogar auf, die noch intakten Fenster mit Steinen einzuwerfen. Am Nachmittag startete die zweite Phase mit der Vorbereitung der Brandstiftung. Nach dem vergeblichen Versuch, die Stromzufuhr der Synagoge zu kappen, setzten die Beamten das Gebäude ohne Rücksicht auf Verluste in Brand. Schnell waren die Nebenstraßen in der näheren Umgebung von Rauch und Geruch nach Verbranntem durchdrungen. So sammelten sich auch viele Augenzeugen vor der Synagoge und betrachteten die Flammen. Manche standen voller Stolz und Zufriedenheit dort und boten den SA-Leuten ihre Unterstützung an. Andere wiederum standen dort mit Gesichtern, die von Furcht und Scham verzehrt waren. Ein Mitglied der lokalen Feuerwehr berichtete später, dass die ganze Mannschaft in der Zentrale auf ihre Einsatzerlaubnis warten musste und dabei gezwungen war, den Geruch von Rauch und Zerstörung auszusitzen, ohne zu helfen. Erst nachdem die Synagoge schon fast abgebrannt war, durften die Männer der Feuerwehr ausrücken, um angrenzende Häuser vor dem Angriff der Flammen zu schützen.
Noch heute gibt es in der Alstadtstraße eine Gedenkstätte, um die Menschen unserer Stadt an diese Nacht und ihre Opfer zu erinnern.
oh, wenn ich dich jetzt in den Händen halte und von der Schule lese, vom Einkaufen und von lieben Menschen, scheinen mich Welten von meinem 14-jährigen Ich zu trennen. Wenn ich damals vielleicht noch einen Funken Hoffnung hatte, so ist mir nun alle Hoffnung entglitten. Paul hat dich mit nach Lodz gebracht, zum Glück haben wir uns nach der langen Reise wiedergefunden, damit ich ein Stück Zuhause habe, wenn alles andere doch verloren ist, hat er gesagt. Man hört die schlimmsten Dinge. Ich hab solche Angst.
Esthi
Vernichtungslager Kulmhof, den 5.5.1942
Liebstes Tagebuch,
diese Ohnmacht! Ich will schreien. Dies ist mein letzter Eintrag. Wir sind in Kulmhof angekommen, es ist Frühjahr, der Sommer ist fast da, aber alles ist grau. Bitte erzähl meine Geschichte.
Im Judentum kommt nur eine Erdbestattung in Frage, da andere Methoden, wie zum Beispiel die Verbrennung, als unwürdige Rituale gelten. Die Leichen können sich, so der Glaube, in der Form von Asche nicht wieder in Erde verwandeln. Während in Deutschland Gesetze verlangen, verstorbene in Särgen zu begraben, werden in Israel Leichentücher verwendet. Viele Juden wünschen sich ein Begräbnis in Jerusalem, da diese, ihrem Glauben nach, als erstes auferstehen werden. Wenn dieser Wunsch nicht erfüllbar ist, wird dem Toten ein Sack Erde aus Israel unter den Kopf gelegt. Den Toten zum Grab zu begleiten, gilt als gute Tat. Als Zeichen der Anerkennung reißen die Anwesenden ein Stück der Kleidung ein. Sobald der Sarg vollständig mit Erde bedeckt ist, sprechen die männlichen Hinterbliebenen das Kaddisch-Gebet. Vor dem Verlassen des Friedhofs waschen sich alle ihre Hände, wobei sie diese nicht abtrocknen, um die Erinnerung zu verstärken.
Die Zeit nach der Beisetzung
Am Tag der Beerdigung beginnt für die engsten Familienmitglieder die Schiwa, welche die erste der drei Trauerperioden ist. In dieser Trauerwoche darf weder gearbeitet, gebadet oder sich rasiert werden. Die einzigen Ausnahmen sind entweder der Sabbat, oder ein Feiertag. Die zweite Trauerphase heißt „Schloschim“. Auch in dieser Zeit darf man sich nicht die Haare schneiden. Nach dreißig Tagen endet die Trauerphase, nur für die Eltern wird noch länger getrauert. Zum Jahresgedächtnis brennt vierundzwanzig Stunden ein Licht am Grab des Verstorbenen. Außerdem legt man einen kleinen Stein auf den Grabstein. Dieses Ritual wird in den religiösen Schriften nicht beschrieben. Es geht auf die Zeit während der Flucht aus Ägypten zurück, wo Blumen und Grabsteine knapp waren. Stattdessen wurden eben Steine auf dem Grab aufgeschichtet. Sie schützten den Leichnam vor wilden Tieren. Auf jüdischen Friedhöfen sollten außerdem keine Blumen aufgestellt werden. Es soll kein Zeichen geben, das den einen Menschen über den anderen stellt.
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