23. Adventskalendertürchen

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# Digitaler Adventskalender

23. Adventskalendertürchen
Der Countdown läuft... nur noch einmal schlafen.


Krippenspiel – mein alltime favourite  

Hilfe! Die Herdmanns kommen! – die Kurzfassung  

Die Herdmann-Kinder waren die schlimmsten Kinder aller Zeiten. Sie logen und klauten, rauchten Zigarren (sogar die Mädchen) und erzählten schmutzige Witze. Sie schlugen kleine Kinder, fluchten auf ihre Lehrer, mißbrauchten den Namen des Herrn. Sie wohnten über einer Garage im Westend. Die Garage wurde nicht mehr benutzt, nur die Herdmanns benutzten sie dazu, die Tür, so schnell sie konnten, auf und zu zu donnern, wobei sie versuchten, sich gegenseitig einzuquetschen. Das war das, was sie unter Spielen verstanden. Wo andere Leute Rasen in ihrem Vorgarten hatten, lagen bei den Herdmanns Felsbrocken, und wo andere Leute Hortensienbüsche pflanzten, züchteten die Herdmanns Tollkirschen. Es gab auch ein Schild im Hof mit der Aufschrift: „Vorsicht, bissige Katze!“

 

Sie waren wirklich so rundherum schrecklich, daß man kaum glauben konnte, daß es sie wirklich gab: Ralf, Eugenia, Leopold, Klaus, Olli und Hedwig - sechs magere, dünnhaarige Kinder, die sich nur dadurch voneinander unterschieden, daß sie verschieden groß waren und an verschiedenen Stellen blaue Flecken aufwiesen, die sie sich gegenseitig beigebracht hatten. Wir waren überzeugt, daß sie direkt auf die Hölle zusteuerten, mit dem Umweg über die Staatliche Besserungsanstalt - bis sie sich mit meiner Mutter, der Kirche und unserem Krippenspiel einließen.

Da stand also meine Mutter und hatte ein Krippenspiel am Hals mit lauter Herdmanns in den Hauptrollen. Die Sache war eben die, daß die Herdmanns nicht das geringste von der Weihnachtsgeschichte wußten. Sie wußten gerade noch, daß Weihnachten der Geburtstag Jesu war, aber alles andere war neu für sie.

 

Heiligabend:

Mutter meinte, wenn alles vorbei wäre, würde sie irgendwohin gehen und sich verkriechen.

"Wir sind nicht ein einziges Mal bei den Proben ganz durchgekommen", sagte sie. "Ich weiß überhaupt nicht, was passieren wird. Vielleicht wird es das erste Krippenspiel in der Geschichte, bei dem Josef und die Heiligen Drei Könige einen Boxkampf anfangen und Maria mit dem Kind wegläuft." Aber zunächst lief alles wie immer. Wie immer herrschte ein großes Durcheinander, aber alles beruhigte sich, und pünktlich um halb acht begann das Krippenspiel. Wir sangen zwei Verse von "Zu Bethlehem im Stalle", und dann sollten wir das Lied noch ein bißchen weiter summen, während Maria und Josef durch die Seitentür hereinkamen. Nur, sie kamen nicht. Also summten wir und summten, was sehr langweilig und schwierig ist, und nach kurzer Zeit klang es nicht mehr wie ein Lied, sondern eher wie ein alter Kühlschrank. Ich schätze wir hätten weitergesummt, bis wir schwarz geworden wären, aber es kam nicht so weit.

Ralf und Eugenia traten auf. Eine Minute lang standen sie einfach da, als ob sie nicht sicher seien, daß sie am richtigen Ort waren. Das lag vielleicht an den Kerzen und den vielen Menschen in der Kirche. Sie sahen aus wie die Leute, die man manchmal in der Tagesschau sieht: Flüchtlinge, die irgendwo an einem fremden, kalten Ort wartend herumstehen, umgeben von Pappkartons und Säcken. - Plötzlich wurde mir klar, daß es der echten Heiligen Familie genauso ergangen sein muß, einquartiert in einem Stall, von Leuten, denen es egal war, was mit ihnen geschah. Sie konnten gar nicht besonders gepflegt und sauber ausgesehen haben. Sicher hatten sie eher so ausgesehen wie diese Maria und dieser Josef. (Eugenias Schleier hing schief wie gewöhnlich, und Ralfs Haare standen nach allen Seiten ab.) Eugenia hatte die Babypuppe bei sich, aber sie wiegte sie nicht in den Armen, wie man es gewohnt war. Sie hatte es über die Schulter gelegt, und bevor sie die Puppe in die Krippe legte, klopfte sie ihr zweimal auf den Rücken.

Ich hörte Alice tief Luft holen. "Kannst du dir vorstellen, daß er Bauchweh hatte?" Ich sagte: "Warum denn nicht." Und ich konnte es mir wirklich vorstellen. Er konnte Bauchweh haben oder unruhig sein oder hungrig, genau wie jedes andere Baby auch. Das war es ja gerade: daß Jesus nicht auf einer Wolke heruntergekommen war wie eine Märchenfigur, sondern daß er richtig geboren wurde und als Mensch lebte.

Als nächstes kam Hedwig hinter dem Engelchor hervor. Sie schubste die anderen aus dem Weg oder trat ihnen auf die Füße. Da Hedwig die einzige war, die in dem Krippenspiel etwas zu sagen hatte, nutzte sie das auch aus. "He! Euch ist ein Kind geboren!" schrie sie, und es klang wirklich wie die beste Botschaft der Welt. Alle Hirten zitterten und fürchteten sich - vor Hedwig natürlich, aber jedenfalls wirkte es gut.

Danach hatten wir ein bißchen Ruhe, während die Jungen sangen "Wir sind die Drei Könige..." und die Zuschauer sich umdrehten, um den Auftritt der Heiligen Drei Könige nicht zu verpassen.

"Was haben die denn da?" flüsterte Alice.

Ich wußte es nicht. Aber was es auch war, es war jedenfalls schwer. Leopold ließ es fast fallen. Dafür hatte er das Gefäß mit Weihrauch nicht dabei, und Klaus und Olli hatten gar nichts in der Hand, obwohl sie Gold und Myrrhe mitbringen sollten. Leopold ließ den Schinken vor die Krippe fallen. Während wir sangen: "Gold und Weihrauch bringen wir", sollten sich die Heiligen Drei Könige miteinander unterhalten und dann hinausgehen. Aber die Herdmanns hatten das entweder vergessen oder sie wollten nicht, jedenfalls unterhielten sie sich nicht und gingen auch nicht. Sie saßen einfach da, und niemand konnte etwas dagegen unternehmen.

"Sie verderben alles", flüsterte Alice. Aber sie taten es ganz und gar nicht. Es war wirklich viel sinnvoller, daß sich die Heiligen Drei Könige hinsetzten und ausruhten. Ich fand, daß die Herdmanns nichts verdarben, sondern im Gegenteil das Krippenspiel um vieles verbessert hatten, indem sie einfach das taten, was ihnen logisch erschien. Zum Beispiel, daß sie das Baby auf den Rücken klopften und einen Schinken für ein besseres Geschenk hielten als eine ganze Menge parfümierter Öle.

Wir sangen alle Strophen von "Stille Nacht, heilige Nacht", und als wir zur Stelle kamen "Gottes Sohn, oh, wie lacht...", schaute ich zufällig zu Eugenia hinüber. Fast hätte ich mein Gesangbauch auf einen kleinen Engel fallen lassen.

Jeder hatte die ganze Zeit darauf gewartet, daß die Herdmanns etwas absolut Unerwartetes tun würden. Und nun war es geschehen: - Eugenia Herdmann weinte. - Im Kerzenlicht glänzte ihr ganzes Gesicht vor Tränen, und sie machte nicht einmal den Versuch, sie wegzuwischen. Sie saß nur da - die schlimme, schreckliche Eugenia - und weinte und weinte und weinte. - Es war wirklich das beste Krippenspiel, das jemals aufgeführt wurde. Das sagte hinterher jeder, aber niemand schien zu wissen, warum es so war. Für mich war das merkwürdigste, daß ich jahrelang über das Wunder von Weihnachten und das Geheimnis von Jesu Geburt nachgedacht und es nie wirklich verstanden hatte. Aber jetzt, durch die Herdmanns, schien mir das alles nicht mehr so geheimnisvoll. Was mich betrifft, so wird Maria immer etwas von Eugenia Herdmann haben, ein bißchen unruhig und verwirrt, aber bereit, jeden zu verprügeln, der ihrem Baby zu nahe treten will. Und die Heiligen Drei Könige werden für mich Leopold und seine Brüder sein, mit einem Schinken in der Hand.

Als wir an diesem Abend aus der Kirche kamen, war es kalt und klar. Der Schnee knirschte unter unseren Füßen, und die Sterne leuchteten hell, sehr hell. Und ich dachte an den Verkündigungsengel, an Hedwig mit ihren dünnen Beinen und ihren schmutzigen Stiefeln, die unter ihrem Kostüm vor schauten, an Hedwig, die uns allen zurief:

"Heh, euch ist ein Kind geboren!"  

Auszugsweise aus „Hilfe, die Herdmanns kommen“ von Barbara Robinson

Zum Nachhören z.B.  https://open.spotify.com/album...  

(Letzte Aufführung übrigens bei Church on the Beach 3.0 im September 2022. Ev.andYou)


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